Blind
Lemon Jefferson (1897 – 1930)
Legenden,
Mythen und Geschichten, überliefert aus einer wilden und konfusen Szenerie
Afro-amerikanischer Historie zu Beginn dieses Jahrhunderts. Schauriges, amüsantes,
brutales, Alkohol, Drogen, Sex und kurzlebige Beziehungen – alles Schlagworte
und Superlative?
Die
“Stories” rund um die Bluesmusiker jener Zeit und speziell derer, die früh
starben, weitergegeben von ehemaligen Weggefährten und Zeitgenossen und uns aus
2. und 3.Hand überliefert sind oft
schwer einzuschätzen und bewerten. Fest steht, daß Musikern wie Blind Lemon
Jefferson, geboren in unterster gesellschaftlicher Schicht des extrem
rassistischen Südens der USA, recht wenige Wege offen standen. Der Teufelskreis
mündete allzu oft im Verlust elementarer Grundrechte wie Arbeit, Bildung,
medizinische Versorgung usw.. Dank Bluesenthusiasten und Bluesforschern wie
beispielsweise Sam Charters, die bereits in den 50er Jahren die Bedeutung dieser
“ersten Generation” an Bluesmusikern erkannten und mit viel Engagement Gespräche
führten und Informationen sammelten sind heute zumindest Fragmente jener Zeit
übermittelt. Das einzig wirklich greifbare dieser Generation ist und bleibt
jedoch ausschließlich die Musik und die Texte dieser Leute, es macht diese frühen
Aufnahmen zu einem unschätzbaren Kulturgut und Erbe.
Blind
Lemon Jefferson war, zumindest an der Anzahl seiner Aufnahmen gemessen, einer
der erfolgreichsten Bluesmusiker der 20er Jahre. Es ist um so mehr
verwunderlich, daß über seine Person recht wenig bekannt ist. Ein Grund dafür
ist sicherlich sein früher Tod im Alter von nur 33 Jahren und die Tatsache, daß
er kaum seßhaft war und das rauhe Leben, das er in seinen Liedern beschrieb
auch wirklich selbst lebte. Es existiert nur ein einziges Foto von ihm, das ihn
im Anzug, aufrecht sitzend mit der Gitarre flach vor sich haltend und einer
Nickelbrille zeigt. Sein Charakter wurde von ehemaligen Kollegen äußerst
widersprüchlich umschrieben. Während sich Victoria Spivey an ihn als Mann in
guter Kleidung und feiner Sprache erinnert sah ihn Sam Chatmon als mürrisch und
launisch an.
Geboren
wurde Blind Lemon Jefferson 1897 auf einer Farm in Choachman/Texas als jüngstes
von 7 Kindern. Ob er tatsächlich völlig blind war ist letztendlich nicht
gesichert (die Brille?!), doch war er bereits ab seiner Geburt mit diesem Leiden
belastet. In seiner Jugend spielte er hauptsächlich auf privaten Partys und
Tanzveranstaltungen. Mit Anfang 20 kam er nach Dallas, wo er sich mehr und mehr
etablierte. Er arbeitete dort zusammen mit Leadbelly und war ein guter Freund
der Familie von T-Bone Walker, der ihn bereits als Kind begleitete. Im Jahr 1926
entstanden die ersten Aufnahmen für Paramount und bis September 1929 sollten 80
Titel für dieses Label eingespielt werden. Ironischer Weise wurden diese
“Recordings” schon damals als “altmodischer Blues eines altmodischen
Bluessängers” beworben. Der Erfolg seiner Platten war dennoch sehr groß, er
bestand unter anderem darin, daß sein Stil nur schwer regional einzugrenzen war
und die Verkäufe sich auf das gesamte Land, bis hin in die industriellen Großstädte
des Nordens erstreckten. Die unterschiedlichen stilistischen Einflüsse, denen
er durch das ständige reisen ausgesetzt war, verschmolzen zu dem eigenen Stil
von Blind Lemon Jefferson.
Der
Gesang Blind Lemon Jeffersons ist hell und einfühlsam, klagend und bestimmend
zugleich und tief verwurzelt mit den ”Field Hollers” und Sklavengesängen
des vergangenen Jahrhunderts. Die Texte sind dabei äußerst direkt und offen,
sie spiegeln Jeffersons Alltag und Umgebung thematisch wieder. Bestimmte
Redewendungen und Floskeln sind typisch für diese frühe Bluesphase, man findet
sie vergleichbar bei einer Vielzahl dieser alten Aufnahmen vor. Er verstand es
vortrefflich den Gesang als zusätzliches Stilmittel einzusetzen und damit Gefühle
zu vermitteln, die weit über textliche Inhalte hinausgingen. Aufgabe der
Gitarre war es, den Gesang zu beantworten, rhythmisch zu untermalen und mit
ausgefallenen Single-Note Läufen zu verbinden. Doch auch durchlaufende Pickings
wie beim “Easy Rider Blues” und Slide-Nummern waren feste Bestandteile im
Repertoire dieses Musikers. Das Spiel Blind Lemon Jeffersons ist ein wahres
Eldorado für Bluesgitarristen, da es eine unglaubliche Vielzahl an Licks, Läufen,
Bass-Walks und Akkordverbindungen beinhaltet, wie man sie so authentisch aus
keinem Lehrbuch vermittelt bekommt. Im Gegensatz zu vielen seiner Zeitgenossen
besticht er gerade gitarristisch durch klares, akzentuiertes Spiel mit sauberen
Akkorden.
Sein
“Match Box Blues”, der von Größen wie Carl Perkins, Jerry Lee Lewis, Elvis
Presley oder den Beatles aufgegriffen wurde ist sicherlich vielen, zumindest
unterbewußt, bekannt. Überhaupt wurde Blind Lemon Jefferson von jüngeren
Musikern sehr häufig als direkten Einfluß angegeben, er war einer der wenigen
Schwarzen, deren Einfluß sich dabei über die Rassengrenze hinaus auswirkte.
Blind
Lemon Jefferson gehört zweifellos zu den bedeutendsten Bluesern der ersten
Generation. Wie bei nur wenigen anderen Musikern dieser Zeit, spürt man bei
Blind Lemons Blues die Wurzeln und den “Spirit” dieser Musik in solcher
Intensität. Seine Karriere wurde durch den frühen Tod im Frühjahr 1930 abrupt
beendet und als einer seiner Verehrer, Robert Johnson, zum ersten mal vor einem
Aufnahmegerät saß um die vielleicht bedeutendsten “Prewar Blues Recordings” überhaupt einzuspielen, war
Blind Lemon Jefferson bereits sechs Jahre tot.
Auf CD sind hervorragende Zusammenstellungen seines Schaffens von Milestone Records (MCD-47022-2) “Blind Lemon Jefferson”, Yazoo “King of the Country Blues” (L-1069) oder vollständig, chronologisch von Document Records erhältlich.